Chronik

Von Matthias Goldschmitz (im Jahre 1979), überarbeitet von Norbert Renkes (im Jahre 2008)

Die ersten Schützenbruderschaften entstanden um das Jahr 1300. Oft wurden sie durch politische oder kriegerische Handlungen beeinträchtigt oder sogar ganz verboten.
Nach dem Sturz Napoleons endete die französische Besatzungszeit des Rheinlandes und auf dem Wiener Kongress (1815) wurde dieses Gebiet dem Königreich Preußen zugewiesen und die Bruderschaften konnten sich wieder entfalten.

Gegründet wurde die St. Josef-Schützenbruderschaft Vogelsrath im Jahre 1821. Das Gründungsdatum wurde vermutlich von den Inschriften der Fahnen übernommen. Über die Tätigkeit der Bruderschaft von 1821 bis 1869 liegen keine Aufzeichnungen vor. Vermutlich haben sie sich nur auf den kirchlichen Bereich bezogen.

Im Jahre 1869 trat die Bruderschaft öffentlich in Erscheinung. Die älteste Platte des Königssilbers stammt aus diesem Jahr und trägt die Inschrift:

„Jesus Maria Joseph Bruderschaft im Vogelsrath“

Und auf weiteren Platten die Namen von 44 Mitgliedern. In demselben Jahr wurde beschlossen, sogenannte „Königsspiele“ durchzuführen. Auch wurde damals eine „Condition“ (Satzung) aufgestellt, in der alle Einzelheiten festgelegt sind. Erster Vermerk darin:

„Dieselbe ist bei einem jeweiligen Vogelschuß unmittelbar vorm ersten Schuß vorzulesen.“

Der erste Vogelschuß erfolgte im Jahre 1870. Davon zeugt eine Platte des Königssilbers von Heinrich Terhag und des Königsknechtes Lehrer Lucian Meyer. Der Vogelschuß und die darauf folgende Kirmes nahmen und nehmen auch heute noch im Leben und Wirken der Bruderschaft einen besonderen Platz ein.

An einem so genannten „Stimmtag“ – der erste Sonntag nach Ostern – wurde beschlossen, den Vogel zu schießen oder nicht. Bei der Abstimmung hatten

„der König drei Stimmen, die Herren Offiziere, Fähnrich,
Brudermeister, Unteroffizier, Königsknecht und Vizekönig jeder
zwei Stimmen und alle anderen Mitglieder jeder eine Stimme“.

Nach erfolgtem Beschluß, den König zu schießen,

„…wird ein Vogel geschrieben. Derjenige, der denselben auslöscht, ist verpflichtet, den Vogel, welcher am dritten Sonntag nach Ostern aufzurichten ist, abzuschießen.“

Natürlich konnten sich auch andere Bruderschaftsmitglieder um die Königswürde bewerben. Die Condition schrieb vor:

„… der, der den Vogel abschießt, ist König und kann bei einem Ihm beliebigen Wirth, der aber Mitbruder sein muß, im Vogelsrath aufziehen.“

Der König wählte einen Knecht und hatte dann die Kosten für einen Musikanten zu tragen. Ferner

„hat er am Vogelschießtag sowie an allen Kirmestagen, jeden Tag zehn lange Irdene Pfeifen und ein halbes Pfund Tabak an die Obrigkeit (Brudermeister) zu geben, so auch noch ein roth seidenes Band für dieselben.“

Außerdem hatte der König

„für einen guten Platz, einen geräumigen Saal oder eine ähnlich wasserdichte Zellte“

Zu sorgen, sowie

„Geld für ein halbes Schild aus Silber zu bezahlen, so ähnlich wie sie dran sind.“

1880 wurde beschlossen,

„dass in Zukunft kein neues Schild mehr gemacht werden soll, sondern der König hat Mark 12,- in die Bruderschafts-Kasse zu zahlen.“

Gemessen an den Pflichten hatte der König wenig Rechte. Das Recht auf einen besonderen Tanz beim Königsball scheinen die Könige stark in Anspruch genommen zu haben, denn 1884 wurde beschlossen,

„dass in Zukunft beim Königsball Kirmesmontag, König, Vizekönig, sowie sämtliche Offiziere nur einmal das Recht haben, für sich einen Tanz zu beanspruchen. Im übrigen sind sie den anderen Brüdern gleichgestellt.“

Auch die mit den Aufzügen verbundenen Formalitäten waren genau festgelegt.

„So muß am Vogelschießen, wie am Kirmes-Vorabend, so auch an jedem Morgen der Tambour durchs Revier der Bruderschaft trommeln. Das Revier erstreckt sich von Genend (heutiges End), Vogelsrath herauf bis incl. Krinsend. Brüder, welcher außer diesen Orten wohnen, haben kein Recht an diesem trommeln.“

Später (1887) wurde die Sektion Renneperstraße mit einbezogen. Der Tambour war überhaupt ein vielbeschäftigter Mann. Ihm oblag das Abholen in folgender Reihenfolge:

„Der Tambour geht zum Unteroffizier, dann zum Lieutenant, dann zum Hauptmann dann holt das ganze mit Musik die Fahne und hiernach der König; und ein jeder hat beim Abholen zu schenken: morgens Schnaps, nachmittags Bier.“

Neben den Feierlichkeiten gab es auch mitunter Streit. Auch für einen solchen Fall gab es strikte Anweisungen:

„Falls sich ein Bruder Streitigkeiten unterwirft, ist er von den Brudermeistern ordentlich zurechtzuweisen. Will er dieser Zurechtweisung kein Gehör geben, ist derselbe mit 1 Pfund Wachs zu bestrafen, welches an die Kirche zu geben ist.“

Beim Tode eines Bruders

„erhält derselbe eine Seelenmesse auf Kosten der Bruderschaft. Dann hat die Familie 1 Maß Branntwein zu geben, welches nach der Messe verzehrt wird.“

Zur Teilnahme an der Beerdigung musste jeder

„im Sonntagsanzug mit Hut“

erscheinen.

Die oberste Leitung der Bruderschaft hatten die Brudermeister,

„Ihrer sind vier, zwei Männer und zwei Junggesellen. Ein jeder von ihnen bleibt vier Jahre in seinem Amte.“

Die Neuwahl fand am St. Josephstag statt.

Überhaupt war das Namensfest des hl. Josef, der 19. März, ein Ehrentag der Bruderschaft. Ohne Rücksicht auf den Wochentag

„hat die Bruderschaft ein hohes Amt und wird eine Kerze in die Kirche gegeben“.

Nach dem Gottesdienst wurde die Hauptversammlung abgehalten.

„Dann wird ein Maß Branntwein getrunken und zugleich findet die Bilanz der Bruderschaft statt.“

Bei Ausbruch des 1. Weltkrieges (1914) kam das Bruderschaftsleben zum Erliegen. Im Mai 1921 feierte die Bruderschaft unter dem König Heinrich Buffen und seinen Ministern Johann Brückels und Matthias Schroers ihr hundertjähriges Bestehen. Weitere Schützenfeste folgten in den Jahren 1924, 1927, 1929 und 1933.

Die politischen Verhältnisse während der Herrschaft des Nationalsozialismus ließen eine weitere Tätigkeit der Bruderschaft nicht zu.

Drei Jahre nach Beendigung des 2. Weltkrieges begann sich das Leben in der Bruderschaft wieder zu regen. Auf einer Veranstaltung im Juni 1948, die unter der bewährten Leitung des 1. Brudermeister Josef Evertz stand, wurde beschlossen, wieder den Vogel zu schießen, welches am 22.8.1948 auch geschah. Die Königswürde errang Josef Beckmanns. Da der traditionelle Kirmestag – der Sonntag nach Pfingsten – schon vorbei war, zog man nicht auf.

Beim nächsten Vogelschuß am 8. 5. 1949 wurde Josef Beckmanns erneut König, diesmal mit allen Rechten und Pflichten und einer ordentlichen Kirmes. So fand dann – nach 16-jähriger Unterbrechung – vom 28. bis 31. Mai 1949 wieder ein Schützenfest statt, verbunden mit der Weihe der alten und doch neuen Fahne.

Der Zahn der Zeit hatte an der Fahne genagt. Bis auf das in der Mitte befindliche, handgestickte Bild der hl. Familie musste die Fahne ganz erneuert werden. Das war durch die hochherzige Spende des Goldjubilars Conrad Lotzemer möglich.

Seit dem Jahre 1951 fanden die Aufzüge der Bruderschaft alle drei Jahre, seit 1967 alle vier Jahre statt. Grundlage dafür war eine entsprechende Vereinbarung zwischen den drei bzw. vier in der Pfarre Amern St. Georg befindlichen Bruderschaften.

Im Mai 1971 feierte die St. Josef-Schützenbruderschaft ihr 150jähriges Bestehen, wiederum verbunden mit einer Fahnenweihe. Die 1949 mit Material aus der Nachkriegszeit erneuerte Fahne hatte den Anforderungen nicht standgehalten. Die Kirmes 1971, bei der alle Bruderschaften des Dekanates Dülken als Gäste anwesend waren, wurde unter König Peter Scharz und seinen Ministern Heinz Schroers und Leo Toerschen zu einem echten Volksfest.

Besondere Verdienste um die Bruderschaft erwarben sich die Brudermeister. Hervorzuheben ist der uns allen unvergessliche Schützenbruder Josef Evertz. Er leitete die Bruderschaft ab 1908 und übernahm im Alter von 77 Jahren 1960 die Königswürde. Als er aus Altersgründen 1961 das Amt des 1. Brudermeisters niederlegte, wurde er zum Ehrenbrudermeister ernannt. Er starb 1969.

Sein Nachfolger wurde Johannes Couhorn, der dieses Amt bis 1977 in mustergültiger Weise ausübte, um es dann in jüngere Hände zu legen. Der heutige Ehrenbrudermeister hat in all den Jahren seiner Zugehörigkeit das Leben und Wirken der St. Josef-Bruderschaft stark mitgeprägt und oftmals Offiziersposten bekleidet und 1967 die Königswürde getragen. Er starb 1988.

Da sich die Mauritius Bruderschaft Renneperstraße Ende der 1970er Jahre aus dem Viererverbund ausgeklinkt hatte, beschlossen die Vorstände der Bruderschaften aus Schellerbaum, Oberamern und Vogelsrath, den alten Dreierverbund wieder einzuführen und die Kirmesfeierlichkeiten abwechselnd alle drei Jahre abzuhalten.

Von 1977 an leitet Heinz Schroers als 1. Brudermeister die Bruderschaft. Fast ein Jahrzehnt setzte auch er sich unermüdlich für “seinen” Verein ein. Vier Jahre seiner Amtszeit übernahm er zusätzlich das Amt des stellvertretenden Bezirksbundesmeisters. Nach seinem Ausscheiden aus dem Vorstand im Jahre 1986 wählten wir ihn ebenfalls zum Ehrenvorsitzenden unserer Bruderschaft. Heinz Schroers verstarb 1990.

Nachfolger von Heinz Schroers wurde Peter Scharz, der jedoch nur knapp zwei Jahre der Bruderschaft vorstand, bevor er aus Vogelsrath wegzog. Ihm folgten Hans Beckmanns und Georg Couhorn an der Spitze.

Im Jahre 1997 feierte unsere Bruderschaft das 175-jährige Bestehen mit einem Bezirksschützenfest. Die Bruderschaften des Dekanates Schwalmtal-Brüggen waren unserer Einladung gefolgt und ein farbenprächtiger Umzug mit unserer Majestät Günter Theven fand in der Sektion Vogelsrath statt.

Im Jahre 2001 wählten wir Peter Kahlen zum 1. Brudermeister und seit der Generalversammlung im März 2007 leitet Werner Beckers die Geschicke der St. Josef-Schützenbruderschaft 1821 Vogelsrath e.V.

Es bleibt zu hoffen, dass sowohl unsere jüngeren wie auch älteren Mitglieder weiterhin treu und heimatverbunden der Schützenbruderschaft zur Seite stehen, getreu dem Motto für “Glaube, Sitte, Heimat”. Nur durch den Zusammenhalt können wir auch in Zukunft weiterhin das Bruderschaftsleben aufrecht erhalten, unsere Schützenfeste feiern und hoffentlich im Jahre 2021 unser 200-jähriges Bestehen feiern.

Jungschützengruppe

1960 wurde eine Jungschützengruppe gegründet, die unter der Leitung von Franz Rosenberger recht beachtliche Erfolge bei Schießsportwettbewerben errungen hat. Zusammen mit den sich in dieser Gruppe angeschlossenen Jungmädchen wird die Jungschützengruppe den Aufzügen der Bruderschaft ein besonderes Gepräge geben.

Unsere Jungschützengruppe hatte sich über viele Jahre auf verschiedenen Schießständen bei den Nachbarbruderschaften durchgeschlagen und ums Überleben gekämpft. Umso erfreulicher war es, dass wir im Jahre 1975 ein altes Gebäude in Vogelsrath für mehrere Jahre anmieten konnten, dass die Jungschützen in Eigenregie zu einem Aufenthaltsraum mit Schießstand ausbauten. Die Schießabteilung der Bruderschaft erlebte einen riesigen Aufschwung und der Zusammenhalt der jüngeren Vereinsmitglieder wurde hierdurch enorm gesteigert. In diesen Räumen wurde geschossen, Versammlungen abgehalten und Feste gefeiert. Leider war dies in der Nacht vom 3. auf den 4. Okt. 1988 zu Ende, da das Gebäude nach einem Einbruch angezündet wurde und bis auf die Grundmauern niederbrannte. Der oder die Täter konnten nicht ermittelt werden.

Es musste jedoch weitergehen mit den Jungschützen und so wurde zunächst im Saal der Gaststätte Wassenberg geschossen. Vor einigen Jahren wurde schließlich der ehemalige Kuhstall umgebaut, so dass wir wieder einen fest installierten Schießraum besitzen. Es bleibt zu hoffen, dass unsere jüngeren Mitbürger durch die Jungschützenabteilung wieder zur Bruderschaft geführt werden und sich für deren Ideale einsetzen.